Die sog. Erhaltungsrücklage (häufig auch Instandhaltungsrücklage genannt) ist ein finanzielles Polster, das die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) ansparen muss, um künftige Instandhaltungen und Instandsetzungen des Gemeinschaftseigentums bezahlen zu können. Nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG gehört es zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung, eine angemessene Rücklage anzusammeln. Doch was bedeutet „angemessen“? Und wenn eine gewisses Polster erreicht worden ist, kann dann mit der Ansparung pausiert werden?
Erhaltungsrücklage richtig einstellen: Weshalb die Peterssche Formel häufig keinen Sinn macht
1. Warum gibt es eine Erhaltungsrücklage?
Das finanzielle Polster soll sicherstellen, dass notwendige Maßnahmen am Gebäude bzw. den gemeinschaftlichen Anlagen nicht durch kurzfristige Sonderumlagen finanziert werden müssen. Damit soll verhindert werden, dass die Eigentümergemeinschaft Schwierigkeiten mit notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen bekommt, weil Sonderumlagen nicht beschlossen werden oder einzelne Eigentümer durch hohe Zahlungen überlastet werden.
Die Rücklage darf nur für Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum verwendet werden. Dazu gehören beispielsweise Dach- und Fassadensanierungen, die Reparatur oder Erneuerung von Heizungsanlagen, Aufzügen oder Versorgungsleitungen sowie die Instandsetzung von gemeinschaftlich genutzten Bereichen wie Treppenhäusern oder Balkonanbauten. Sie verbleibt auch bei dem Ausscheiden von Eigentümern (Verkauf des Wohneigentums) aus der GdWE bei der Gemeinschaft und darf nicht zurückerstattet werden.
2. Wie soll die laufende Erhaltungsrücklage berechnet werden?
Gesetz und Rechtsprechung machen keine Aussagen zur absoluten Höhe oder Berechnung der Erhaltungsrücklage, außer, dass diese „angemessen“ sein soll. Die tatsächliche Höhe der Rücklage sollte daher an die spezifischen Gegebenheiten des Objekts und die Bedürfnisse der jeweiligen Wohnungseigentümergemeinschaft angepasst werden. Ein Haus, das bereits vor kurzem ein neues Dach erhalten hat und dessen Leitungssystem in einwandfreiem Zustand ist, hat logischerweise einen geringeren Bedarf als ein Objekt bei dem wichtige Gebäudeteile erneuert werden sollten.
In der Praxis finden sich verschiedene Berechnungsmethoden und Empfehlungen, wie vorgegangen werden kann. Im Folgenden ein Überblick über zwei wichtige Ansätze:

Sehr häufig wird auf die Peterssche Formel referenziert. Sie geht auf den Architekten und Bausachverständigen Karl Peters zurück, wurde in den 1960 Jahren entwickelt und dient der einfachen Orientierung.
Im Kern soll über einen Zeitraum von 80 Jahren rund das 1,5-fache der ursprünglichen Herstellungskosten eines Gebäudes für Instandhaltung und Sanierung von 60-70% des Gemeinschaftseigentums aufgewendet werden. Grundlage sind dabei die reinen Baukosten ohne Grundstück. Um eine angemessene Erhaltungsrücklage zu bestimmen, wird dieser Betrag gleichmäßig auf die angenommene Lebensdauer von 80 Jahren verteilt. Daraus ergibt sich dann die Formel: Jährliche Rücklage = (1,5 * Herstellungskosten) / 80 * 60-70%.
Ein Beispiel verdeutlicht die Berechnung: Betrugen die Herstellungskosten eines Wohngebäudes 2 Mio. €, so liegt der langfristig zu erwartende Instandhaltungsaufwand bei 3 Mio. €. Der Anteil für das Gemeinschaftseigentum ist daran 1,8 bis 2,1 Mio. €. Verteilt man diese Summe auf 80 Jahre, ergibt sich eine Rücklage von 22.500,- bis 26.250,- € pro Jahr. Schon auf Basis dieser Berechnung kann man sehen, dass das Konzept einige Schwächen aufweist:
Die Formel setzt auf den damaligen Herstellungskosten (Baukosten zum Baujahr) auf. Bei älteren Gebäuden liegen diese Werte weit unter den heutigen Baukosten und sind darüber hinaus oft nicht bekannt. Eine Aktualisierung auf den Wiederherstellungswert nach Baukostenindex wäre nötig, ist aber nicht Teil der Formel.
Die Annahme „Lebensdauer 80 Jahre“ ist pauschal und stimmt nicht für alle Gebäude. Manche Bauteile (z. B. Heizung, Fenster) müssen schon nach 20–30 Jahren ersetzt werden, andere (Fundament, Rohbau) halten deutlich länger. Die Annahme, dass das Haus nach 80 Jahren im Grunde in einem linearen Hochlauf komplett erneuert dastehen soll, ist nicht ganz nachvollziehbar.
Die Zweite Berechnungs-Verordnung des (mittlerweile aufgehobenen) zweiten Wohnbaugesetzes hat daher mit Altersklassen des Gebäudes einen weiteren Baustein eingeführt. Allerdings wird hier nur das Gebäude insgesamt klassifiziert. Ein Gebäude beispielsweise, dass bereits 40 Jahre alt ist, aber bereits eine neue Dacheindeckung erhalten hat, sollte anders klassifiziert werden als ein Haus von 30 Jahren mit aktuell undichtem Dach. Wir empfehlen daher eine maßgeschneiderte Berechnung, indem eine strukturierte Bestandsaufnahme der einzelnen Gebäudeteil erfolgt und auf dieser Basis differenziert die Erfordernisse der Erhaltungsrücklage berechnet werden. Hier ist maßgeschneidertes Beispiel aus unserer Praxis:

3. Und wenn bereits eine Erhaltungsrücklage angespart ist?
In beiden o.g. Ansätze geht die Höhe der bestehenden Rücklage nicht ein. In einer neu gegründeten WEG ohne Erhaltungsrücklage besteht eine andere Notwendigkeit für ein solches Sparkonto als in einer Gemeinschaft mit einer bereits umfangreichen Reserve. Auch hier sollte er Begriff „angemessen“ situativ ausgelegt werden. Grundsätzlich sollte der Rücklagenumfang die in den nächsten Jahren zu erwartenden Instandhaltungs- und Reparaturkosten des Gemeinschaftseigentums abdecken können.
Der Zeitpunkt, zu dem eine ausreichende Reserve angesammelt worden ist und die laufenden Sparraten verringert bzw. pausiert werden können ist je nach WEG unterschiedlich. Das liegt u.a. daran, dass sich in größeren WEGs kostspielige Bauteile wie z.B. das Dach auf viele Einheiten verteilen. Bei 40 Einheiten summieren sich Rücklagen von 10 Tsd. € pro Einheit bereits zu einem Polster von 400 Tsd. €. Die WEG verfügt je nach Zustand des Objekts in diesem Fall ggf. bereits über eine umfangreiche Rücklage für beispielweise eine neue Dacheindeckung. In einem Haus mit nur 4 Einheiten führt eine Rücklage von 10 Tsd. € pro Einheit insgesamt zu einem Polster von 40 Tsd. €, das ggf. noch nicht ausreichend ist.
Wir empfehlen daher sowohl die Besonderheiten des Gebäudes als auch den Umfang der bestehenden Rücklage in die Kalibrierung der laufenden Sparraten einfließen zu lassen. Hat die Rücklage eine ausreichende Höhe erreicht, ist eine überhöhte Ansammlung nicht weiter notwendig. Die Eigentümerversammlung kann dann beschließen, die laufende Zuführung zu reduzieren oder ggf. auch zu pausieren.
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